Porsche feiert das 70-jährige Firmenjubiläum mit verschiedenen Events am Stammsitz Zuffenhausen und wie in diesem Beispiel mit einem Fahrevent auf dem Testgelände in Aldenhoven zwischen Aachen und Düsseldorf gelegen. Es werden alle Ikonen der Porsche Historie vorgestellt und hinsichtlich der Entwicklungen bei Antrieb und Fahrwerk beleuchtet. Hier die Zusammenfassung mit der Chassis-Brille:
Traditionell und basierend auf den Erfahrungen von VW Typ 1 und Porsche 356 mit querliegender Drehstabfederung startet die erste Generation des Porsche 911 im Jahr 1963 seine unvergleichbare Karriere wiederum mit drehstabgefederten Achsen. Mit einer Dämpferbeinachse vorn und Schräglenkern hinten. Die Drehstabfedern sind an der Vorderachse in den Dreieckslenker integriert. Dies ist zum einen überaus Package-effizient und bietet zum anderen eine einfache Möglichkeit zur radindividuellen Höheneinstellung für die Ausbalancierung der Radlasten.
356 Speedster
Obwohl der erste Porsche 911 eine vollständige Neuentwicklung war, basiert er auf einer konsequenten Weiterentwicklung der Porsche-Typenreihe 356. Ein effizienter Sportwagen mit geringem Gewicht, Boxermotor mit hoher Leistung kombiniert mit einem kompakten Getriebe und Achsantrieb, positioniert am Fahrzeugheck. Dieses Grundprinzip ermöglicht dem Porsche 911 bis heute ein beeindruckendes Traktionsvermögen sowie ein sehr gutes Fahrverhalten. Die Konstrukteure der ersten Generation gaben dem 911 deutlich mehr Innen- und Gepäckraum bei einem Radstand, welcher um 111 Millimeter länger war als beim Typ 356.
Der Ur-Typ 901 hatte einen Radstand von 2211 Millimeter. Da ein größerer Radstand den Geradeauslauf des Fahrzeuges verbessert und beim 901 Optimierungsbedarf bestand, wurde der Radstand durch Verlängern der Hinterachsschräglenker um 57 mm auf 2268 mm vergrößert. Beim Nachfolgemodell (G-Modell) wuchs der Radstand bei ähnlicher Bodengruppe durch Modifikationen an der Hinterachse und den Radhäusern auf 2272 Millimeter. Die Karosserie des Typ 996 (5. Generation, 1997) war bedingt durch die Umstellung auf die wassergekühlten Boxermotoren eine vollständige Neuentwicklung. Zur weiteren Verbesserung der Richtungsstabilität bei immer höher steigenden Fahrgeschwindigkeiten wurde der Radstand beim 996 auf 2350 Millimeter angehoben. Der Radstand des heutigen Modells (991) wurde nochmals erhöht auf 2450 Millimeter.
Ende 1988 wurde mit dem 964 C4 die Allrad-Variante der dritten Generation des Porsche 911 vorgestellt. Wesentliches Merkmal war der Allradantrieb und die damit verbundenen Konsequenzen für das Packaging. Das stabile Querrohr der Hinterachse zur Aufnahme der Drehstabfedern und zur Befestigung der Schräglenker musste dem Antriebsstrang weichen. Auch die Anforderung nach mehr Längsfederungskomfort der Radführungen ließ sich mit den bewährten Achsen nicht realisieren. Fortan werden nun Schraubenfedern im 911eingesetzt. Das grundsätzliche Prinzip des neuen Fahrwerks blieb aber unverändert: Federbeinachse mit Dreieckslenker und hinten liegende Lenkung als Vorderachse und Schräglenker-Hinterachse mit Feder-Dämpfer-Bein.
An der Hinterachse des Typs 964 wird deutlich, dass bei Porsche seit Jahren intensiv an der gezielten Nutzung der Elastokinematik von Radführungen geforscht wird. So wurde auch an der Hinterachse des 964 ein Prinzip der Vorspurkorrektur umgesetzt, das mit der sogenannten "Weissach-Achse" des Porsche 928 erstmals weltweit in Serie ging. Bei diesem Prinzip sind die Bauteil und Lagersteifigkeiten der Hinterachs-Radführung so abgestimmt, dass das Rad unter Seiten- oder Umfangskraft in Vorspur geht. Charakteristisch ist hierbei ein Momentanpol der Elastokinematik, der außerhalb der Spurweite und hinter Radmitte liegt.
Motornahe Katalysatoren erforderten im Typ 993 eine geänderte Abgasführung und gaben Räume für den Fahrschemel einer Mehrlenkerachse frei. Mit dem Verbau der L(eichtbau)S(tabilität)A(gilität)-Hinterradaufhängung im Porsche 993, der vierten Generation des 911, begann eine neue Ära der Fahrdynamik. Der Fahrschemel selbst ist zur akustischen Isolation über vier Gummilager mit dem Rohbau verbunden. Die Gummilager sind in Längsrichtung weich und in Querrichtung hart ausgelegt. Damit wird ein gutes Längsfederungsvermögen realisiert, ohne dass Seitenkräfte einen unerwünschten Einfluss auf die Fahrdynamik erhalten.
Ein Jahr nach dem Boxster (Typ 986) ging 1997 der Typ 996 als fünfte Generation des Porsche 911 in Serie. Mit ihm begann eine neue Ära. Ab dem 996 sind die Sechszylinder-Boxermotoren wassergekühlt. Die Karosserie wurde vollkommen erneuert, die Steifigkeit und Festigkeit der Strukturen erheblich vergrößert. Dies ermöglichte auch die Weiterentwicklung der Radaufhängungen.
Als weiteres Highlight der Vorderachse des 996/997 ist die Lage des Lenkgetriebes und der Spurstangen zu erwähnen. 34 Jahre lang war die Zahnstangenlenkung hinter der Radmitte positioniert. Das völlig neue Fahrwerkslayout des Typs 996 gestattet es nun erstmals, das Lenkgetriebe vor der Vorderachse und unterhalb der Radmitte zu platzieren. Damit ist die für eine optimale Lenkpräzision notwendige Position umgesetzt worden.
Die im Nachfolger, Typ 991, verwendete Federbeinvorderachse nach McPherson-Bauweise ist eine vollständige Neuentwicklung und hat eine Vielzahl von technischen Änderungen gegenüber dem Vorgänger erfahren. Hauptursachen hierfür sind die größeren Raddurchmesser und -breiten (+30/+12 Millimeter) sowie die Spurweitenänderung um +46 Millimeter beim Basismodell und +53 Millimeter bei den S-Modellen. Weitere Änderungen sind auf die geometrische Integration der elektromechanischen Lenkung und der aktiven Wankstabilisierung "Porsche Dynamic Chassis Control" (PDCC) zurückzuführen. Trotz der beengten Bauraumverhältnisse im Hinterwagen des Porsche 911 ist es mit der neuen Mehrlenker-Hinterachse gelungen, statt dem passiven Spurlenker auch die zwei elektromechanischen Aktoren der Hinterachslenkung geometrisch zu integrieren. Weiterhin zeichnet die Mehrlenkerhinterachse im 991 eine Lenkbarkeit von über +/- 3 Grad Radeinschlagwinkel aus.
Die aerodynamische Güte ist ebenfalls ein wichtiges Konzeptmerkmal eines Sportwagens und äußert sich im dimensionslosen Widerstandsbeiwert cw und den Auftriebsbeiwerten an der Vorder- und Hinterachse. Fahrleistung und Verbrauch stehen zum Luftwiderstand in enger Verbindung. Für das Fahrverhalten eines Fahrzeuges bei höheren Geschwindigkeiten spielen jedoch die Auftriebsbeiwerte die entscheidende Rolle. Die Auftriebsbeiwerte beeinflussen bei Fahrgeschwindigkeiten größer 100 km/h das Lenk- und Spurwechselverhalten, das Lastwechselverhalten und das Lenkmoment. Grundsätzlich werden niedrige Auftriebsbeiwerte angestrebt, wobei die aerodynamische Balance der beiden Auftriebsbeiwerte zueinander ebenfalls berücksichtigt werden muss.
Mit einem wunderschönen Sonnenuntergang über dem Rhein in Düsseldorf endet das 70 Jahre Presse Event am 29. Juni 2018.
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